Arbeitsgruppe Komplexe Grenzflächen

AG-Leitung Prof. Dr. Jörg August Becker

Der Schwerpunkt der Arbeitsgruppe Becker – Professur für Physikalische Chemie – liegt auf der theoretischen und experimentellen Untersuchung von Strukturen und Dynamiken in Molekülen und komplexen Grenzflächen. Die Fragestellungen werden in Kooperation mit Materialwissenschaftlern aus dem Bereich Maschinenbau sowie Partnern aus der Industrie bearbeitet.

Entwicklung von Modellsystemen zur computergestützten Untersuchung von Phasengrenzen, Kompositmaterialen und Molekülen

In der Gruppe werden Reaktionen und Strukturbildung an Phasengrenzen und die Dynamik dieser Prozesse untersucht. Dabei verfolgen wir den Ansatz die komplexen Fragestellungen in Modellsystemen zu vereinfachen, um die verschiedenen Einflussfaktoren der Prozesse auf molekularer Ebene getrennt voneinander analysieren zu können. Wir nutzen hierbei ab initio Simulationsprogramme, um detaillierte Informationen über die quantenchemischen und thermodynamischen Eigenschaften der Moleküle und Strukturen zu erhalten. Anderseits erfordert das Zusammenspiel verschiedener Komponenten an einer Phasengrenze auch eine Beschreibung über eine gewisse zeitliche und räumliche Größenskala, wodurch wir zusätzlich atomistische Kraftfeldmodelle auf Basis quantenchemischer Programme verwenden.

Um die theoretischen Erkenntnisse zu validieren kommen experimentell speziell entwickelte Apparaturen und den anspruchsvollen reaktiven Bedingungen angepasste Verfahren zum Einsatz. Ziel ist ein besseres Verständnis der Dynamik, Reaktionen und Transportphänomene in Molekülen, Nanoteilchen und Grenzflächen.

Untersuchung von komplexen Grenzflächen, Molekülen und Nanopartikeln

Ein System aus einer Polymermatrix, Silica als Füllstoff und einem Silan als Brückenbildner

In Zusammenarbeit mit der Industrie und weiteren Gruppen der naturwissenschaftlichen Fakultät simulieren wir die Grenzflächen verschiedener Bestandteile von Kompositmaterialien, z.B. Polymersysteme an SiO2- und Kohlenstoff-Grenzflächen oder die Stabilisierung von ZnO-Nanopartikeln durch Liganden. Dabei greifen wir auf Kraftfeld und ab initio Methoden (Reaxff, CPMD, ADF, Gaussian) zurück. Wir setzen dabei Multiskalenmethoden ein, mit denen man auf geeigneten Längen- und Zeitskalen die geeigneten physikalisch-chemischen Näherungsmethoden einsetzen kann.

Anwendungsbereiche sind die Silanisierung und Vulkanisierung und deren chemische Elementarschritte. Aus den computerchemischen Rechnungen lassen sich thermodynamische Eigenschaften bestimmen, die Auskunft über die mechanische Stabilität der elastischen Materialien geben.

Die Wahl der Liganden in der Nanopartikelsynthese beeinflusst die Kristallmorphologie der Partikel, zum Beispiel von Zinkoxid Nanopartikeln. Erkenntnisse aus Simulationen über die Wechselwirkungen zwischen den Liganden und den Nanopartikel unterstützen experimentelle Arbeiten anderer Gruppen, wodurch Rückschlüsse auf das Kristallwachstum ermöglicht werden.

Wannier-Orbitale einer Schwefel-Isopren Bindung, die im Laufe einer Simulation gebrochen werden

Zur Stabilisierung der Materialeigenschaften in solchen Polymersystemen spielen Antioxidantien eine große Rolle. Diese organischen Moleküle leisten einen Wasserstofftransfer zu den unerwünschten Radikalzentren im Material, die durch mechanische, thermische und photochemische Belastungen auftreten. Dazu werden kraftinduziere Bindungsbrüche simuliert, die auftretenden Radikale charakterisiert und Reaktionswege analysiert.

Die Antioxidantien reagieren in einem Zyklus, wodurch nur eine geringe Menge dieser Substanz notwendig ist, um die Lebensdauer des Polymersystems massiv zu verlängern.

Ziel der Forschung von Antioxidantien ist das bessere Verständnis über die ablaufenden Reaktionen, um so die antioxidative Wirkung zu verbessern. Damit trägt die Forschung durch Erhöhung der Lebensdauer von Produkten einen Beitrag zu einem nachaltigerem Einsatz von Ressourcen bei.

Schematischer Aufbau einer elektrochemsichen Messzelle

Auch elektrochemische Eigenschaften sind über ab-initio Methoden zugänglich. Zur Validierung der theoretischen Daten werden elektrochemische Experimente wie die Zyklovoltametrie oder in-situ-Spektroskopie durchgeführt. So lassen sich Redoxpotentiale im Labor bestimmen, die dann mit den Daten aus einer quantenchemischen Simulation verglichen werden. Dabei sind insbesondere die Solvatationseffekte interessant, die eine Vielzahl der molekularen Eigenschaften beeinflussen. Diese Effekte sind gerade an den Phasengrenzen von besonderer Bedeutung. Die Rolle von Lösungsmitteln, Linkern oder Stabilisatoren kann durch die Kombination von statistisch-thermodynamischen Ansätzen und ab-initio Dynamiken abgebildet werden.


Experimentelle Beobachtung von reaktiven Benetzungseffekten von komplexen Germaniumoxid- und Siliziumoxid-Grenzflächen

Schema Aufbau HT-AES
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen von komplexe Mikrostrukturen aus Germanium und Germaniumoxid

Wir untersuchen Hochtemperaturreaktionen im Hochvakuum, den Transport von Gasreaktionsprodukten in die Umgebung und ihre anschließende Beteiligung an der Bildung fester Strukturen mit neuer Morphologie und neuen Eigenschaften. Eines der Hauptmerkmale unserer Forschungsmethode ist, dass die gesamte Reaktion-Transport-Strukturbildungskette in einem isolierten Mikroreaktor mit einem Volumen von nur wenigen Kubikmillimetern stattfindet. Der große Vorteil eines so kleinen Reaktionsraums besteht darin, dass das gesamte verfügbare Volumen während des gesamten Prozesses kontrolliert und beobachtet werden kann sowie dass eine minimale Menge von Produkten (im Sub-Milligramm-Bereich) verwendet wird, was wiederum die Reinheit des Experiments erheblich erhöht.

Die anspruchsvollen reaktiven Bedingungen sind experimentell eine Herausforderung. Daher werden neue Messapparaturen entwickelt und gebaut, um In Situ analytische Methoden wie beispielsweise die Hochtemperatur-Video-Mikroskopie im sichtbaren und im nahen infraroten Spektralbereich an diese Bedingungen adaptieren zu können.
Ex Situ verwenden wir Elektronenmikroskopie und Rasterkraftmikroskopie um die Topographie der erzeugten Proben zu visualisieren und zu vermessen. In Zusammenarbeit mit weiteren Gruppen aus der naturwissenschaftlichen Fakultät und dem Maschinenbau stehen weitere Untersuchungsmethoden zur Verfügung, z. B. um die chemische Zusammensetzung von Oberflächen und Grenzschichten aufzuklären.

Kontakt

Prof. Dr. rer. nat. Jörg August Becker
Adresse
Callinstraße 3a
30167 Hannover
Gebäude
Raum
114
Adresse
Callinstraße 3a
30167 Hannover
Gebäude
Raum
114